07 Jun 2016
Vergessen Sie die neusten Trends: 12 Grundprinzipien zum Erlernen einer Fremdsprache

Es heißt Veränderung sei die einzige Konstante in dieser schnelllebigen Welt. Das trifft aber nicht nur auf die materielle Welt zu: heute ist es sogar möglich seine Partner so schnell zu wechseln wie ein paar Schuhe.

Auch unsere Meinungen sind schnelllebig. Wir glauben eine Meinung zu allem haben zu müssen, auch wenn wir dabei das Thema – egal welches — gerade einmal ankratzen. Kurz darauf verwerfen wir diese Meinung dann wieder und tauschen sie gegen eine Neue aus.

22
(Unsplash)

In ähnlicher Weise kommen und gehen Sprachlernmethoden (Das Geheimnis wie ich eine neue Sprache erlernen kann – und zwar pronto!) und was oft als große Neuerung angepriesen wird stellt sich doch nur als etwas Altes in neuer Verpackung heraus.

Ungeachtet der verwendeten Methoden hat mich meine Erfahrung gelehrt, dass es einige Grundprinzipien gibt auf die man achten sollte wenn man eine Fremdsprache effektiv erlernen will. Hier sind 12 dieser Prinzipien:

  1. Individualisierung – Massenunterricht in großen Gruppen ist passé. Die Individualität der einzelnen Person muss im Vordergrund stehen. Je größer die Gruppe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Leistungsniveau sowie die Bedürfnisse der Lernenden stark unterscheiden. Auch die Motivation die Sprache zu erlernen kann recht unterschiedlich sein. Idealerweise wählen sie kleine Gruppen oder, wenn es die Finanzen zulassen die Luxusvariante — den Einzelunterricht (i-diom).
  2. Relevanz für das Leben außerhalb des Klassenzimmers – Es sollte immer ein Bezug zum direkten Umfeld des Lernenden bestehen. Vielleicht mag es recht nett sein zu wissen was Sally und Bob aus dem Lehrbuch mit ihrem Hund gemacht haben, es bleibt jedoch dahingestellt inwiefern dies relevant ist wenn Sie innerhalb der nächsten fünf Wochen lernen sollen einen Finanzbericht in der Fremdsprache zu erstellen.
  3. Selbstmotivation – Seien wir doch ehrlich: eine Fremdsprache kann man sich nicht einfach erkaufen, auch wenn manche Leute dieser Meinung sind wenn sie sich für einen Kurs einschreiben. Nein, wir müssen schon ordentlich Arbeit investieren um die Sprache zu erlernen.
  4. Positives Feedback – Das Erlernen einer Sprache gleicht einer Liebesaffäre über einen längeren Zeitraum und deshalb brauchen wir auch immer wieder einmal ein Kompliment und Streicheleinheiten. Das hält die Affäre am Köcheln.
  5. Fehler machen – Wir alle wissen, dass man aus seinen Fehlern lernen kann. Wenn man das aber mit rein nüchterner Mathematik betrachtet, könnten wir doch daraus schließen, dass wir schneller weiterkämen je mehr Fehler wir machen und je eher wir diese ausbessern. Es ist bereits eine Weile her, da unterrichtete ich eine Gruppe von Finanzexperten. Alle 15 Minuten brachen sie ihr Schweigen um einen neuen tadellosen Satz herauszubringen. Doch obwohl jeder Satz perfekt war, war ihr Lernprozess extrem langsam und langweilig. Ganz ihrem Beruf entsprechend konnten sie es nicht ertragen den einen oder anderen Fehler zu machen.
  6. Automatisierung – Irgendwann muss dann der Punkt erreicht sein an dem wir einfach sprechen und unser Unterbewusstsein arbeiten lassen können, ohne bewusst über Grammatik nachdenken zu müssen. Die Grammatik, unser Langzeitverbündeter aus alten Tagen, sollte nun in den Hintergrund treten.
  7. Meilensteine – Wie bei einer langen Autofahrt müssen wir unseren Fortschritt immer im Auge behalten und wenn nötig Anpassungen vornehmen. Vielleicht müssen wir nur die Übungen etwas ändern oder die Lernmaterialien. Vielleicht aber auch unsere schlechten Angewohnheiten, die Krawatte des Trainers, oder – wenn dies möglich ist – einfach davon ablassen Russisch, Chinesisch oder Arabisch lernen zu wollen und sich lieber einer etwas näherliegenden Sprache, zum Beispiel Spanisch, zu widmen damit der Erfolg schneller eintritt.
  8. Kreativität – Was hielten sie davon kleine Post-it Zetteln in der Wohnung zu verteilen um neue Worte zu lernen? Oder suchen sie etwa verzweifelt jemanden an dem sie das neu Erlernte anwenden können? Versuchen sie doch einmal alle Smiths im Telefonbuch anzurufen und auf Englisch vorzugeben, dass sie eigentlich mit jemanden anderen sprechen wollten? Das wäre einerseits gratis Konversationszeit und gleichzeitig eine Möglichkeit ihr Vokabular mit neuen Wörtern zu erweitern, welche ihnen von einigen Personen sicherlich an den Kopf geworfen werden. Seien sie kreativ beim Erlernen von Sprachen.
  9. Kultur – Sprache spiegelt die Mentalität derer die sie sprechen wider. Eine „lebende“ Fremdsprache lernt man am besten im Zusammenspiel mit der Umgebung aus der sie stammt. Nach einiger Zeit sollten sie dann bereits beginnen wie ihr „neuer Stamm“ zu denken, so zu gehen, sich so zu kleiden, zu essen und so zu riechen.
  10. Analyse – Wir assoziieren das was wir nicht kennen, nämlich unsere Zielsprache, mit dem Vertrauten, unsere Muttersprache. Das tun wir etwa so lange bis wir Intermediate Niveau (B2) erreicht haben — der große Moment an dem wir zwar noch unsere Mütter behalten, unsere Muttersprache als Referenz jedoch zur Seite stellen und uns frei unserer neu erlernten Sprache bedienen können.
  11. Hungrig auf Feedback sein – Social Media erinnern uns ständig daran, dass keiner von uns alleine auf einer Insel lebt. Somit sollten wir auch darauf achten was andere über unseren Fortschritt zu sagen haben. Ihre neuen Freunde aus dem Unterricht werden ihnen ehrlich ins Gesicht sagen was sie richtig und was sie nicht alles falsch machen. Lassen sie ihren Stolz einmal beiseite, saugen sie alles auf und seien sie hungrig auf mehr.
  12. Anwendbarkeit – Im Grunde erlernen wir eine Fremdsprache aus beruflichen oder privaten Gründen. Auch wenn uns jetzt nicht besonders viel an der neuen Zielsprache liegt, so gibt uns dies wenigstens die Gelegenheit darüber andere, echte Personen kennenzulernen, anstatt nur irgendwelche virtuellen oder flüchtigen Bekanntschaften. Lang lebe eine nutzenorientierte Herangehensweise an das Erlernen einer Sprache und das Leben!

23
(Unsplash)

Folgendes kann also auf unser Leben und das Erlernen einer Fremdsprache angewendet werden: entscheiden sie sich für die Prinzipien des Erlernens einer Sprache, nicht für die sich permanent ändernden Methoden oder Modeerscheinungen.

Welche anderen Prinzipien zum Erlernen einer Fremdsprache sind ihrer Meinung nach wichtig?
…………………

Über den Autor: Carlos Aleson ist der Leiter von i-diom, einem in Österreich ansässigen Institut, welches auf Sprach- und Kommunikationstraining spezialisiert ist.

english version btn